Die Höhe einer variablen Vergütung bemisst sich meist anhand vom Arbeitnehmer erreichter Ziele. Bei sog. Zielvereinbarungen werden die Ziele zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich festgelegt. Bei einer Zielvorgabe werden die Ziele hingegen allein vom Arbeitgeber im Wege eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts getroffen. Das LAG Köln hat kürzlich im Einklang mit anderen landesarbeitsgerichtlichen Urteilen entschieden, dass dem Arbeitnehmer die variable Vergütung grundsätzlich in voller Höhe zusteht, wenn die Zielvorgabe zu einem derart späten Zeitpunkt erfolgt, dass die Anreizfunktion der festgelegten Ziele nicht mehr erfüllt werden kann (LAG Köln vom 06.02.2024 – 4 Sa 390/23).
Verspätete Zielvorgabe: Arbeitgeber schuldet vollen Bonusanspruch
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer zu spät erfolgten Zielvorgabe. Die Vergütung des Klägers setzte sich aus einer festen und einer variablen Komponente zusammen. Eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Betriebsvereinbarung sah vor, dass die Ziele für den jährlichen Bonusanspruch bis zum 01.03. eines jeden Jahres vorgegeben werden müssen. Die Beklagte legte die Ziele allerdings erst im Oktober des betreffenden Jahres fest. Der Kläger erreichte die Zielvorgabe der Beklagten nur teilweise.
Das LAG Köln bejahte einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283, 252 BGB in Höhe des vollen Bonusanspruchs. Erfolge eine Zielvorgabe zu einem so späten Zeitpunkt, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, ist der Arbeitnehmer so zu stellen, als ob die Zielvorgabe überhaupt nicht erfolgt wäre. Dem Arbeitnehmer bleibe in einem solchen Fall kein hinreichender Zeitraum mehr, die ihm vorgegebenen Ziele effektiv zu verfolgen. Die Vereinbarung von Zielen sei „sinnentleert“, wenn diese nicht mehr zur Leistungs- und Motivationssteigerung beim Arbeitnehmer beitragen können.
Keine Unterscheidung zwischen Zielvereinbarungen und Zielvorgaben
Das BAG geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass es nach Ablauf der Zielperiode unmöglich ist, Ziele mit dem Arbeitnehmer festzulegen. Dem Arbeitnehmer stehe daher nach Ablauf der Zielperiode ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Zielvereinbarung zu. Das BAG hat bisher aber offengelassen, ob diese Grundsätze auch bei Zielvorgaben gelten. Das LAG Köln bejahte dies im Einklang mit der überwiegenden landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Eine pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe löse in gleicher Weise Schadensersatzansprüche aus wie die pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossene Zielvereinbarung.
Zielvorgabe: Kann Unmöglichkeit bereits während des laufenden Geschäftsjahres eintreten?
Zudem hat das LAG Köln ausdrücklich entschieden, dass die Festlegung der Ziele bereits während der laufenden Zielperiode unmöglich werden kann. Diese Frage hat das BAG bisher stets offengelassen. Die Festlegung von Zielen könne den Arbeitnehmer nur dann motivieren und somit eine Anreizfunktion erfüllen, wenn der Arbeitnehmer die Ziele bereits bei Ausübung seiner Tätigkeit kennt. Die Anreizfunktion kann hingegen nicht mehr sinnvoll erfüllt werden, wenn dem Arbeitnehmer kein ausreichender Zeitraum mehr verbleibt, die ihm vorgegebenen Ziele effektiv zu verfolgen. In diesem Fall sei die Zielvorgabe so zu behandeln, es sei sie überhaupt nicht erfolgt. An diesem Grundsatz ändert auch die Festlegung von rein unternehmensbezogenen Zielen nichts.
Das LAG Köln stellt zudem konkret fest, dass nach Ablauf von mehr als drei Viertel des Geschäftsjahres die Anreizfunktion einer variablen Vergütung nicht mehr sinnvoll erfüllt werden kann. Damit stellt das LAG Köln erfreulicherweise erstmals eine konkrete zeitliche Orientierung für Arbeitgeber zur Verfügung.
Praxishinweis
Das LAG Köln hat damit zwei Fragen entschieden, die vom BAG bislang noch nicht geklärt sind. Arbeitgeber sollten daher auch bei Zielvorgaben darauf achten, die Ziele möglichst zu Beginn des jeweiligen Geschäftsjahres festzulegen. Andernfalls drohen Arbeitgebern Schadensersatzansprüche, die sich regelmäßig auf den vollen Bonusanspruch belaufen werden. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass sich die vom LAG Köln aufgestellten Grundsätze auch auf verspätet erfolgte Zielvereinbarungen übertragen lassen. Mithin sollten Arbeitgeber auch den Abschluss der erforderlichen Zielvereinbarungen nicht auf die lange Bank schieben.
Das LAG Köln hat die Revision zugelassen. Daher bleibt abzuwarten, wie sich das BAG in den bislang noch offenen Fragen positioniert. Da die Entscheidung aber auf den bisher aufgestellten Grundsätzen das BAG zu verspäteten Zielvereinbarungen beruht und diese aus meiner Sicht konsequent fortführt, ist nicht unbedingt mit einem Erfolg der eingelegten Revision zu rechnen. Arbeitgeber sollten die Rechtsprechung in dieser Frage im Blick behalten.