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Lockerungen bei der „Massenentlassungsanzeige“? – Warten auf den EuGH

Von Matthias Stelzer
9 Juli 2024
  • Restrukturierung
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 13. Juli 2023 (Az. C-134/22) entschieden, dass ein Verstoß gegen die arbeitgeberseitige Pflicht, der zuständigen Behörde im Rahmen des Massenentlassungsanzeigeverfahrens eine Abschrift des an die Arbeitnehmervertretung gerichteten Konsultationsschreibens zuzuleiten, nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen führt (siehe hierzu unser Blogbeitrag vom 8. August 2023). Das im Anschluss an diese Entscheidung gegenwärtig zu beobachtende „Hin und Her“ des Zweiten und des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie das beim EuGH rechtshängige Vorabentscheidungsersuchen geben noch einmal Anlass, mögliche Änderungen, aber auch voreilige Annahmen im Massenentlassungsrecht zu beleuchten.

Die Anzeige von Entlassungen gemäß § 17 KSchG (sog. Massenentlassungsanzeige) gegenüber der Bundesagentur für Arbeit sowie das in § 17 Abs. 2 KSchG geregelte separate Konsultationsverfahren mit einem etwaig bestehenden Betriebsrat waren bislang wegen ihrer Komplexität mit hohen Risiken verbunden, drohte doch bei Fehlern die Nichtigkeit der späteren Kündigungen.

Es zeichnet sich nun zwar eine Rechtsprechungsänderung ab. Jedoch sind die konkreten Auswirkungen noch ungewiss.

Der Sechste Senat des BAG vertritt in seiner Anfrage an den Zweiten Senat (BAG vom 14. Dezember 2023 – 6 AZR 157/22 (B)) die Auffassung, dass ein Unterlassen oder Fehler im Rahmen der Massenentlassungsanzeige keine Auswirkungen mehr auf die Wirksamkeit der Kündigungen hat. Der Zweite Senat favorisiert hingegen in seinem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (BAG vom 1. Februar 2024 – 2 AS 22/23 (A)) eine differenzierte Betrachtungsweise. Dies wird flankiert von einer ergänzenden Vorlagefrage des Sechsten Senats (BAG vom 23. Mai 2024 – 6 AZR 152/22 (A)).

Differenzierende Begründung des Zweiten Senats…

Der Zweite Senat möchte zwar mit dem Sechsten Senat seine Rechtsprechung aufgeben, wonach eine im Rahmen einer Massenentlassung ohne vorherige Massenentlassungsanzeige erklärte Kündigung nichtig ist. Auch hält er mit dem Sechsten Senat daran fest, dass Fehler im Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG die Nichtigkeit der späteren Kündigung zur Folge haben, weil Sinn und Zweck jenes Verfahrens ist, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken.

Im Übrigen widerspricht er aber dem Sechsten Senat.

… Nachholbarkeit der Anzeige

So sollen die Kündigungen nach Ansicht des Zweiten Senats erst wirksam werden, wenn der Arbeitgeber eine Anzeige erstattet oder nachgeholt hat.

… Unterscheidung nach unterlassener oder fehlerhafter Anzeige

Überdies soll das Fehlen oder die Fehlerhaftigkeit einer Massenentlassungsanzeige nicht folgenlos für die Beendigung des gekündigten Arbeitsverhältnisses bleiben:

  • Bei unterlassenen Anzeigen könne eine Kündigung erst rechtswirksam werden, wenn die Anzeige nachgeholt worden ist und der Agentur für Arbeit die notwendige Vorbereitungszeit für die Vermittlung zur Verfügung steht. Dieser Zeitraum bestimme sich nach § 18 KSchG (also nach der grundsätzlich einmonatigen Entlassungssperre, vor deren Ablauf keine Kündigung wirksam werden kann).
  • Hat der Arbeitgeber hingegen der Agentur für Arbeit die beabsichtigte Massenentlassung angezeigt, entscheide diese allein über die Ordnungsgemäßheit der Anzeige und die Dauer der erforderlichen Vorbereitungszeit. Stelle sie den Ablauf der Entlassungssperre und sein konkretes Datum fest, sei diese Entscheidung für den Arbeitnehmer unanfechtbar und für die Arbeitsgerichte bindend.

In diese Kerbe schlägt nun auch der Sechste Senat mit seiner oben genannten ergänzenden Vorlagefrage, ob der Zweck der Massenentlassungsanzeige erfüllt ist, wenn die Agentur für Arbeit eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich damit als ausreichend informiert betrachtet.

Bewertung und Ausblick

Die Antwort des EuGH und eine abschließende Klärung beim BAG könnten noch mehr als ein Jahr auf sich warten lassen. Zumindest bis dahin ist weiterhin Sorgfalt bei der Erstattung von Massenentlassungsanzeigen geboten.

Die Begründung des Vorabentscheidungsersuchens des Zweiten Senats des BAG wird in der aktuellen Kommentarliteratur jedenfalls als praktikabel bewertet. Sie könnte damit auch für den EuGH die Richtung vorgegeben.

Folge wäre zwar eine Änderung der Rechtsprechung dergestalt, dass eine fehlende Massenentlassungsanzeige nicht zur Nichtigkeit der Kündigungen führt. Jedoch soll eine fehlende Anzeige nicht folgenlos bleiben, sondern das Wirksamwerden der Kündigungen zeitlich verschieben, bis die Anzeige nachgeholt und die einmonatige Entlassungssperre verstrichen ist.

Abzuwarten bleibt hingegen der Umgang mit Fällen, in denen eine Massenentlassungsanzeige zwar erstattet oder zumindest nachgeholt wurde, aber unvollständig oder sonstig fehlerhaft ist. Nach dem Begründungsansatz des Zweiten Senats wäre es dann an der Agentur für Arbeit zu entscheiden, ob sie (dennoch) den Eingang der Massenentlassungsanzeige bestätigt und den Zeitraum des Ablaufs der Entlassungssperre mitteilt.

Praxistipp: Ungeminderte Sorgfalt und frühzeitige Kontaktaufnahme!

Nach wie vor sind Arbeitgeber daher gut beraten, rechtzeitig vor der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige mit der zuständigen Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen, die Anzeige anzukündigen und so eine rechtzeitige Eingangsbestätigung sicherzustellen. Je nach zeitlichem Vorlauf und Mitwirkungsbereitschaft der Agentur für Arbeit ist es sogar denkbar, die Anzeige schon im Entwurf mit der Agentur für Arbeit abzustimmen und damit „Überraschungen“ nach der Einreichung zu vermeiden.

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§ 17 KSchG, Massenentlassungsanzeige, Personalabbau
Matthias Stelzer

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