Der Bundesjustizminister hat am 21. März 2024 eine dringend erforderliche Neuerung des Nachweisgesetzes verkündet. Wesentliche Vertragsbedingungen sollen zukünftig nicht mehr der strengen Schriftform, sondern einer qualifizierten Textform unterliegen. Was heißt das für die Praxis und wann ist die Schriftform trotzdem noch geboten?
Hintergrund
Seit der Verschärfung des Nachweisgesetzes (NachwG) im August 2022 gilt für Unternehmen die Maxime: Wer Bußgelder (bis zu EUR 2.000 je Verstoß) vermeiden möchte, muss Arbeitnehmer über die wesentlichen Vertragsbedingungen (vgl. § 2 NachwG) schriftlich, d.h. mit Originalunterschrift, informieren. Hierfür sieht der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten vor: Die Nachweispflichten können entweder durch den schriftlich unterzeichneten Arbeitsvertrag (§ 2 Abs. 5 NachwG) oder durch ein separates Schreiben erfüllt werden. In der Praxis sind beide Wege praktikabel. Viele Arbeitgeber bevorzugen es jedoch, die Nachweise im Arbeitsvertrag zu erbringen, um weitere Papierflut zu vermeiden. Für diese Unternehmen galt somit seit August 2022: Arbeitsverträge müssen handschriftlich unterzeichnet und dem Arbeitnehmer im Original ausgehändigt werden.
Papierflut statt Digitalisierung?
Der Aufschrei von Unternehmen, Verbänden und Teilen der Politik ließ nicht lange auf sich warten und brachte den Gesetzgeber angesichts der Digitalisierungsbemühungen vergangener Jahre durchaus in Erklärungsnöte: Denn das reformierte Nachweisgesetz beruht zwar auf einer europäischen Richtlinie (EU-RL 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union). Die Richtlinie sieht aufgrund des „verstärkten Einsatzes von digitalen Kommunikationsmitteln“ jedoch neben der einfachen Papierform auch die elektronische Form vor, sofern die Informationen für den Arbeitnehmer „zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis“ erhält. Die strenge Schriftform nach deutschem Recht (hier dem NachwG) mit Originalunterschrift (§ 126 BGB) geht weit über diese Anforderungen hinaus.
Ende gut, Alles gut?
Schon im Januar sah der Referentenentwurf des vierten Bürokratieentlastungsgesetz vom 10.01.2024 zumindest die qualifizierte elektronische Signatur nach § 126a BGB als eine Alternative zum strengen Schriftformerfordernis vor. Aufgrund der hohen formellen Hürden der qualifizierten elektronischen Signatur wäre diese Änderung allein jedoch nur ein schwacher Trost für Unternehmen.
Das hat auch der Justizminister erkannt und nach einer entsprechenden Einigung innerhalb der Koalition in einem Schreiben an Wirtschaftsverbände erklärt, anstelle der bisherigen Schriftform solle zukünftig Textform ausreichen, sofern das Dokument für Arbeitnehmer „zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis erhält“. Die Formulierung weist auf die Ausnahmeregelungen der Richtlinie hin, auch wenn sie Textform und elektronische Form miteinander vermischt. Insofern wird man den genauen Wortlaut des angepassten Referentenentwurfs abwarten müssen. Klar ist jedoch, dass der Gesetzgeber dieses Mal den europarechtlich eröffneten Gestaltungsspielraum nutzen möchte. Insofern lohnt sich auch ein Blick auf die europäischen Nachbarländer, die anstelle der Schriftform erfolgreich mit digitalen Nachweisformen arbeiten (einen Überblick über die Umsetzung im EU-Ausland gibt die Website https://publisher.dentons.com/experience/eu-transparency-directive).
Wann die Schriftform trotzdem wichtig ist
Zu einer vollständigen Digitalisierung wird jedoch auch die Reform des Nachweisgesetzes nicht führen. Unangetastet ist die Schriftform weiterhin für befristete Verträge (§ 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz). Liegen die Originalunterschriften von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Vertragsbeginn nicht vor, kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande.
Übersehen wird häufig, dass auch viele „unbefristete“ Arbeitsverträge einer (Alters)Befristung unterliegen. Regelungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Rentenalters automatisch enden sollen, unterliegen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der strengen gesetzlichen Schriftform. Eine Renteneintrittsklausel macht somit nur in (hand)schriftlich unterzeichneten Arbeitsverträgen Sinn. Verzichtet der Arbeitgeber auf die entsprechende Klausel oder die Schriftform und möchte das Arbeitsverhältnis beim späteren Renteneintritt beenden, muss der Arbeitnehmer der Beendigung i. d. R. zustimmen. Denn allein der Renteneintritt rechtfertigt nach § 41 Satz 1 SGB VI keine arbeitgeberseitige Kündigung im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes.