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Auskunftsanspruch zur Entgelthöhe – „Was verdient das andere Geschlecht?“

Von Christian Fischer
3 Dezember 2024
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Das Entgelttransparenzgesetz billigt den Arbeitnehmern Auskunftsansprüche, die auf Entgeltgleichheit gerichtet sind, erst dann zu, wenn im Betrieb ein Schwellenwert von mehr als 200 Arbeitnehmern erreicht ist. Daher müssen kleinere Betriebe nach den Buchstaben des Entgelttransparenzgesetzes bisher keine derartigen Auskunftsansprüche „fürchten“. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat in einer aktuellen Entscheidung die Rechte von Arbeitnehmern, die in kleineren Betrieben beschäftigt sind, nun jedoch deutlich erweitert. So hat das LAG Niedersachsen Auskunftsansprüche über die Höhe der Entgelte von mit vergleichbaren Tätigkeiten beschäftigten Arbeitnehmern des anderen Geschlechts – unabhängig von der Betriebsgröße – grundsätzlich anerkannt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass ein Sachverhalt vorliegt, der das Bestehen eines Entgeltgleichheitsanspruchs zumindest wahrscheinlich erscheinen lässt.

Über welchen Sachverhalt zur Entgeltgleichheit hat das LAG Niedersachsen entschieden?

Die Klägerin war bis Februar 2022 in der Tierklinik ihres Vaters, die weniger als 200 Arbeitnehmende beschäftigt, als Tierärztin angestellt. Im Juli 2021 erhielt die Klägerin ein Bruttomonatsentgelt von EUR 3.900,00. Ihr ebenfalls in der Klinik als Tierarzt beschäftigter Bruder, der sechs Jahre später eingestellt wurde, bezog zur selben Zeit ein weitaus höheres monatliches Gehalt in Höhe von EUR 7.100,00 brutto.

Die Klägerin fühlte sich dadurch offensichtlich benachteiligt und machte im Wege einer sog. „Stufenklage“ vor dem Arbeitsgericht Hameln einen Auskunftsanspruch über die im Vergleichszeitraum von der beklagten Tierklinik an alle mit der Klägerin vergleichbaren männlichen Arbeitnehmer gezahlten Bruttomonatsentgelte geltend. Gleichzeitig begehrte sie die Zahlung des entgeltgleichheitswidrig vorenthaltenen Differenzbetrags entsprechend dem Ergebnis des Auskunftsbegehrens. Das Arbeitsgericht Hameln wies die Klage mangels Anspruchsgrundlage ab. Die Klägerin legte daraufhin Berufung am LAG Niedersachen ein.

Entgeltgleichheit: Entscheidung des LAG Niedersachsen (Urteil vom 10.9.2024 – 10 SLa 221/24)

Das LAG Niedersachsen bejahte – zur Überraschung vieler – den von der Tierärztin geltend gemachten Auskunftsanspruch dem Grunde nach.

In seiner rechtlichen Begründung führte das LAG Niedersachen zwar aus, dass es in der Zivilprozessordnung grundsätzlich keinen Auskunftsanspruch gegen die nicht darlegungs- und beweisbelastete Partei (hier: Tierklinik) gebe. Ausnahmsweise könne jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs des vom Gesetzgeber geschaffenen Auskunftsanspruchs zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots (vgl. § 10 Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) ein Auskunftsanspruch auf der Grundlage von „Treu und Glauben“ gem. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehen. Ein solcher Auskunftsanspruch setzt allerdings die zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner voraus. In Betracht käme im konkreten Fall insbesondere ein Entgeltgleichheitsanspruch nach § 3 Abs. 1, Abs. 7 EntgTranspG.

Damit übertrug das LAG Niedersachen die vom Bundesarbeitsgericht zum Gleichbehandlungsgrundsatz entwickelte Auskunfts-Rechtsprechung auch auf Entgeltgleichheitsfälle. Dabei sei die Beweislastumkehr von § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auch in Entgeltgleichheitsstreitigkeiten maßgebend. Das heißt, die auf Entgeltgleichheit klagende Partei müsse für die Vermutung einer Diskriminierung wegen des Geschlechts nur darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass der Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Entgelt zahle als einem die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtenden Kollegen des anderen Geschlechts.

Im konkreten Fall blieb der Tierärztin die begehrte Auskunft im Ergebnis dennoch versagt. Nach Ansicht des LAG Niedersachen reichten die von der Klägerin behaupteten Tatsachen nämlich nicht aus, um die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung zu begründen. Dies sei der Klägerin wegen ihres unsubstantiierten Sachvortrags und ihres Versäumnisses, den Vortrag der Gegenseite lückenlos zu bestreiten, nicht gelungen.

Fazit

Das Urteil des LAG Niedersachen kann besonders für kleinere und mittelgroße Arbeitgeber gravierende Auswirkungen haben. Sollte der auf § 242 BGB gestützte Auskunftsanspruch tatsächlich auch auf Entgeltgleichheitsfälle Anwendung finden, wird es künftig für die Arbeitnehmer von kleineren und mittleren Arbeitgebern wesentlich einfacher werden, in Entgeltgleichheitsklagen das Vorliegen der Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutungsregelung des § 22 AGG darzulegen. Zwar sieht die seit Juni 2023 in Kraft befindliche europäische Entgelttransparenz-Richtlinie einen solchen Auskunftsanspruch ohnehin vor. Sie ist jedoch noch nicht in deutsches Recht umgesetzt.

Es wird daher spannend sein zu beobachten, wie das mittlerweile mit dem Fall befasste Bundesarbeitsgericht über die anhängige Revision entscheiden wird. Nach unserer Auffassung sprechen die besseren Argumente dafür, die Auflassung des LAG Niedersachen abzulehnen und – bis zur Umsetzung der europäischen Entgelttransparenz-Richtlinie – den Willen des deutschen Gesetzgebers zur Geltung zu bringen. Dieser hat in § 12 Abs. 1 EntgTranspG ausdrücklich geregelt, dass Auskunftsansprüche in Entgeltgleichheitsfällen nur bei Arbeitgebern mit mehr als 200 Beschäftigten bestehen sollen.

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Diskriminierung, Entgeltgleichheit, Entgelthöhe, Entgelttransparenz, LAG Niedersachsen
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