Nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 18. April 2023 den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt hat, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Arbeitgeber nach dem Arbeitszeitgesetz dazu verpflichtet werden, die tägliche Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Leider gibt der Entwurf des BMAS keine hinreichende Antwort darauf, wie die Probleme, die im Zusammenhang mit der praktischen Umsetzung der Arbeitszeiterfassung bestehen, gelöst werden können. Es besteht daher auf Arbeitgeberseite eine große Unsicherheit darüber, wie zukünftig eine gesetzeskonforme Arbeitszeiterfassung sichergestellt werden kann, ohne gleichzeitig die betrieblichen Abläufe über Gebühr zu beeinträchtigen. Unmittelbar hieran knüpft sich die weitere Frage an, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber mit behördlichen Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften nach § 17 Abs. 4 ArbZG rechnen müssen. Das OVG Sachsen-Anhalt hat sich mit dieser Frage in einer Entscheidung vom 17. November 2022 (Az. 1 L 100/20) auseinandergesetzt.
Was war passiert?
Das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt hatte als Aufsichtsbehörde im Rahmen einer Betriebsbegehung bei einem Pflegedienst Einsicht in einen Dienstplan genommen und hierbei festgestellt, dass Arbeitnehmer für Dienste an Sonn- und Feiertagen eingetragen worden waren und einzelne Dienste länger als acht Stunden am Stück andauerten. In der Folge hat das Landesamt mit Bescheid vom 8. Juli 2019 von dem Arbeitgeber die Vorlage von Arbeitszeitnachweisen für 21 Arbeitnehmer für einen Zeitraum von drei Monate nebst Dienstplänen verlangt. Hiergegen wandte sich der Arbeitgeber im Klagewege mit der Begründung, dass sie nach der Begehung zunächst hätte angehört werden müssen.
Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt
Nachdem das VG Halle die Klage abgewiesen hatte, hat das OVG Sachsen-Anhalt den von dem Arbeitgeber eingereichten Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Nach Ansicht des OVG Sachsen-Anhalt bestanden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Dem OVG Sachsen-Anhalt zufolge ist es für ein Auskunftsverlangen nach § 17 Abs. 4 ArbZG ausreichend, dass die Aufsichtsbehörde einen berechtigten Anlass hat zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Arbeitszeitvorschriften einhält. Nicht erforderlich sei es, dass es bereits zu einem Arbeitszeitverstoß gekommen ist oder eine konkrete Gefahr für einen solchen vorliegt. Dies folge bereits aus dem Wortlaut von § 17 Abs. 4 ArbZG. Hinreichend sei es, dass die Aufsichtsbehörde einen berechtigten Anlass für ihre Überprüfung habe. Ein solcher Anlass läge z.B. vor, wenn im Rahmen einer Betriebsprüfung Anhaltspunkte für Arbeitszeitverstöße zu Tage getreten seien oder wenn die Aufsichtsbehörde Hinweise auf Verstöße erhalten habe.
Fazit
Die Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt verdeutlicht, dass den Aufsichtsbehörden im Rahmen von Arbeitszeitkontrollen weitreichende Entscheidungsbefugnisse zustehen und die an ein Auskunftsverlangen nach § 17 Abs. 4 ArbZG zu stellenden Anforderungen nicht hoch sind.
Es ist damit zu rechnen, dass es im Nachgang zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vermehrt zu behördlichen Arbeitszeitkontrollen kommen wird. Dem OVG Sachsen-Anhalt folgend dürften bereits geringfügige Unregelmäßigkeiten, die sich in der betrieblichen Praxis oftmals kaum vermeiden lassen, ausreichen, um tiefgreifendere behördliche Kontrollen auszulösen. Hinzukommt, dass – auch anonyme – Hinweise auf Arbeitszeitverstöße behördliche Kontrollen auslösen können. Für Arbeitgeber besteht in diesem Zusammenhang insbesondere ein Risiko, wenn es zu Zerwürfnissen oder Trennungsszenarien mit Arbeitnehmern kommt.
Um die Verhängung hoher Bußgelder zu verhindern, wird es für Arbeitgeber zukünftig daher umso wichtiger sein, ihre Arbeitnehmer hinsichtlich der geltenden Arbeitszeitvorgaben zu unterweisen und deren Einhaltung auch zu überwachen. Leider stellen sich auch nach Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs des BMAS noch eine Vielzahl von Fragen, insbesondere bezüglich der praktischen Umsetzung der Arbeitszeiterfassung. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Weiteren Gesetzgebungsverfahrens hier noch nachjustiert und Arbeitgebern noch weitere Hilfestellungen gibt.